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Das autonome Fahren, also die selbstständige Fortbewegung von Automobilen ohne Notwendigkeit eines menschlichen Fahrers, ist einer der größten potenziellen Zukunftsmärkte unserer Zeit. Laut Statista soll der Markt für Fahrassistenzsysteme und autonome Fahrfunktionen von weltweit 80 Milliarden USD im Jahr 2020 innerhalb von zehn Jahren auf über 270 Milliarden USD wachsen.

Für Automobilhersteller wäre diese Entwicklung besonders lukrativ, da Fahrzeuge durch die zusätzlichen Softwarefunktionen mit höheren Gewinnmargen veräußert werden könnten. Kein Wunder also, dass sämtliche großen Konzerne wie Volkswagen, Mercedes-Benz, Stellantis oder General Motors Milliardensummen investieren. Zudem wollen auch chinesische Unternehmen wie etwa Baidu sowie US-Technologiekonzerne, allen voran Nvidia oder Google (über die Tochterfirma Waymo), an dem Megatrend partizipieren.

Die 5 Klassen des automatisierten Fahrens

Dennoch ist aktuell zu konstatieren, dass der Weg zu den ersten wirklich eigenständig fahrenden Autos noch sehr weit ist. Gemäß aktuell gültiger internationaler Normen, aufgestellt durch die SAE (Society of Automotive Engineers), wird das automatisierte Fahren in fünf Klassen aufgeteilt:

  • „Level 0“ – keine Fahrautomatisierung: Der Fahrer fährt komplett eigenständig. In den betreffenden Fahrzeugen sind keinerlei Fahrassistenzsysteme verbaut.
  • „Level 1“ – assistiertes Fahren: Der Fahrer fährt eigenständig, muss den Verkehr permanent im Blick haben und haftet für Regelverstöße. Durch Assistenzsysteme wird er geringfügig unterstützt. Hierzu zählen Tempomaten, automatische Abstandsregler (zur Einhaltung des Sicherheitsabstandes) oder Spurhalteassistenten.
  • „Level 2“ – teilautomatisiertes Fahren: Auch hier gilt, dass der Fahrer eigenständig fährt und den Straßenverkehr stets überblicken muss. Im Gegensatz zu „Level 1“ kann das Fahrzeug kleinere Aufgaben ohne menschlichen Eingriff bewältigen. Dazu gehören etwa automatische Einparkhilfen, bei denen das Auto eigenständig lenkt, sowie Überholassistenten. Dennoch ist der Fahrer dafür zuständig, ggf. auftretende Fehlfunktionen an den Hilfssystemen zu korrigieren.
  • „Level 3“ – hochautomatisiertes Fahren: In der nächsten Stufe ist der Fahrer nicht mehr verpflichtet, sein Kfz dauerhaft zu überwachen, da dieses unter definierten Rahmenbedingungen und für einen kurzen Zeitraum selbstständig agiert. Brems-, Beschleunigungs- und Spurwechselvorgänge werden dabei vom Fahrzeug erledigt. In bestimmten Situationen wird der Fahrer aber aufgefordert, selbst wieder die Führung zu übernehmen.
  • „Level 4“ – vollautomatisiertes Fahren: Das Fahrzeug agiert nunmehr bezüglich seiner Fahraufgaben komplett eigenständig. Theoretisch dürfte es sogar komplett ohne menschliche Insassen am Straßenverkehr teilnehmen. Der Fahrzeugführer wird zum Passagier, haftet nicht mehr für Schäden und darf sich die Zeit sogar mit Schlafen vertreiben. Sollte es systembedingte Probleme geben, muss das Kfz in der Lage sein, autark einen sogenannten sicheren Zustand zu erreichen. Dies kann beispielsweise durch das Ansteuern eines Parkplatzes erreicht werden. Der Fahrer kann, sofern er das will, im Problemfall noch selbst eingreifen.
  • „Level 5“ – autonomes Fahren: Dieses Level beschreibt den größtmöglichen Grad an Autonomie. Das Fahrzeug ist technisch so ausgereift, dass es selbst schwierigste Situationen problemlos bewerkstelligen kann. Außer der Eingabe des gewünschten Zielortes übernimmt der Mensch keinerlei Aufgaben mehr. Daher werden Lenkräder, Bremsen und Pedale obsolet, das Auto ist praktisch fahrerlos.

Aktuell befindet sich die überwiegende Mehrheit der neu zugelassenen Kraftfahrzeuge auf „Level 2“. Die meisten Unternehmen forschen an Technik der Stufe vier. Ob Stufe fünf überhaupt jemals erreicht werden kann, wird von einigen Experten bezweifelt.

Welche Hersteller sind Pioniere in Sachen autonomes Fahren?

Der Markt für autonom fahrende Fahrzeuge ist stark umkämpft. Neben vielen klassischen Automobilherstellern tummeln sich auch Mobility-Start-ups und Softwarefirmen in dem Markt. Viele Firmen behaupten aus Prestigegründen dabei, eine führende Position innezuhaben. Die Beurteilung dessen fällt von außen schwer, da die Unternehmen aus Geheimhaltungsgründen gegenüber der Konkurrenz nicht allzu viel preisgeben wollen.

Eine der wenigen belastbaren Quellen ist der sogenannte Disengagement Report der Verkehrsbehörde DMV des US-Bundesstaates Kalifornien, wo vorab lizenzierte Unternehmen autonomes Fahren im allgemeinen Straßenverkehr testen dürfen. In dem Report werden die gefahrenen Kilometer sowie die noch notwendigen menschlichen Eingriffe protokolliert. Indem man beide Werte ins Verhältnis zueinander setzt, lassen sich zumindest erste Rückschlüsse daraus ziehen, wie gut respektive wie selbstständig das autonome Fahren jeweils funktioniert. Dabei gilt: Je weniger Eingriffe pro gefahrene Kilometer nötig gewesen sind, desto besser. In unserer Kurzanalyse wollen wir folgende Hersteller näher beleuchten.

Tesla

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Der Elektroauto-Pionier Tesla gilt gemeinhin als das fortschrittlichste Unternehmen der Welt im Bereich der Automobile. Kein Wunder also, dass die Erwartungen an den von Elon Musk gelenkten Konzern in Sachen selbstständigem Fahren besonders hoch sind. So gaben in einer kürzlich publizierten Umfrage knapp ein Drittel aller befragten US-Verbraucher an, dass sie dem Konzern aus Austin im Vergleich mit anderen Firmen am ehesten zutrauen, ein autonomes Auto zu entwickeln.

Ultraschallsensoren

Tesla geht, wie bereits bei anderen Themen in der Vergangenheit, auch beim selbstständigen Fahren ganz eigene Wege. Während beispielsweise Mercedes-Benz auf lasergesteuerte Lidar-Sensoren zum Erkennen und Messen von Abständen setzt, sieht das Unternehmen von Elon Musk in einer kameraüberwachten und mit Ultraschallsensoren unterstützten Technik eine bessere, weil kostengünstigere, Wahl. Tatsache ist, dass einige Fachleute den Erfolg dieses Sonderwegs anzweifeln. Zudem konnte Tesla früheren vollmundigen Ankündigungen, wonach die Einführung eines fertigen Autopiloten kurz bevorstehe, bisher noch keine Taten folgen lassen.

Fahrassistenzsysteme Level 2

In den Medien kursieren immer mal wieder Berichte zu Verkehrsverstößen und Unfällen (teilweise sogar mit Todesfolge) von selbstfahrenden Teslas. Im Disengagement Report taucht Tesla offiziell nicht auf, da die hauseigenen Softwaresysteme (die beim Kauf eines Fahrzeugs unter der Bezeichnung Full Self Driving optional hinzugebucht werden können) nur als Fahrassistenzsysteme des Levels zwei gewertet werden, wofür keine Rapportpflicht an die kalifornischen Behörden besteht.

Mercedes-Benz

Der traditionsreiche Mercedes-Benz Group, die vor der Abspaltung seiner LKW-Sparte noch unter dem Namen Daimler AG firmierte, sorgte Ende 2021 für einen echten Paukenschlag in der Automobilbranche. Denn der Stuttgarter Konzern erhielt als weltweit erster Hersteller die Genehmigung, für den allgemeinen Straßenverkehr zugelassene Fahrzeuge mit Assistenzsystemen der Autonomiestufe „Level 3“ zu verkaufen. Die neue S-Klasse sowie das elektrische Pendant EQS können auf Wunsch mit dem Drive Pilot genannten Softwaresystem ausgestattet werden. Aus Haftungsgründen sind die Bedingungen, unter denen der Fahrer die Kontrolle abgeben darf, allerdings äußerst begrenzt.

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  • Der Einsatz ist nur auf Autobahnen und bei Tageslicht möglich, nicht hingegen in Baustellen.
  • Spurwechsel sind nicht möglich.
  • Die maximale Höchstgeschwindigkeit liegt bei 60 km/h.
  • Die Außentemperatur muss über drei Grad Celsius liegen.

Praktisch nutzen lässt sich der selbstfahrende Modus von Mercedes also nur in Stausituationen respektive bei Stop-and-go-Verkehr. Dennoch dürfte die Konkurrenz den Fingerzeig vernommen haben. Im Disengagement Report 2021 konnte Mercedes allerdings nur den 16. Rang belegen.

Waymo

2020 konnte sich Waymo, ein Tochterunternehmen des Google-Mutterkonzerns Alphabet, den Spitzenplatz beim Disengagement-Report sichern. Das 2009 gegründete Unternehmen gilt in Branchenkreisen zusammen mit dem von GM unterstützen Start-up Cruise als Marktführer beim Thema autonomen Fahren. Da Waymo nur die hinter dem selbstständigen Fahren stehende Technologie entwickelt, nicht aber eigene Autos konzipiert, ist die Alphabet-Tochter auf Kooperationspartner angewiesen. Die Liste dieser Partnerunternehmen liest sich durchaus beeindruckend, denn neben Daimler Trucks konnte man auch Nissan, Stellantis oder Volvo für eine Zusammenarbeit gewinnen.

Ausgewählte Nutzer

Im Disengagement Report für 2021 verlor Waymo den Spitzenplatz, da die Anzahl der gefahrenen Kilometer pro menschlichem Eingriff sank. Dies hat allerdings damit zu tun, dass man 2021 die ersten Tests in der vielbefahrenen Metropole San Francisco startete, während man die eigenen Fahrzeuge zuvor in eher einfacheren Gegenden erprobte. Nachdem in Phoenix seit 2017 sogar einen ersten Robotaxidienst gestartet wurde, wird dieser von nun an auch in San Francisco angeboten. Während in Phoenix auch Privatpersonen die Dienste von Waymo nutzen können, ist der Service in San Francisco zunächst nur den eigenen Mitarbeitern vorbehalten.

Wer haftet im Schadensfall?

Die aktuelle Rechtslage wurde bereits bei der Vorstellung der Automatisierungs-Level nach SAE kurz vorgestellt. So liegt die Verantwortung für alle Verkehrsverstöße bis einschließlich „Level 3“ beim Fahrer selbst. Dieser darf beim hochautomatisierten Fahren der dritten Stufe zwar kurz die Aufmerksamkeit vom Verkehr abwenden; allerdings muss er sich stets bereithalten, die Kontrolle nach Aufforderung wieder zu übernehmen. Der Fahrersitz darf also nicht verlassen werden, das Schlafen am Steuer ist ebenso wenig gestattet.

Shuttleservice als Zwischenlösung

Für „Level 4“ und „Level 5“ wird der Fahrer zwar aus der direkten Haftung für Unfälle, Verstöße etc. genommen, allerdings wären Fahrzeuge dieser Kategorie derzeit nur in bestimmten, vorab genehmigungspflichtigen Betriebsbereichen eines Unternehmens zugelassen. Ein denkbarer Anwendungsfall wäre also ein unternehmensinterner Shuttleservice. Weitere Auflage: Eine eigens haftpflichtversicherte natürliche Person, also ein Mensch aus Fleisch und Blut, muss die betroffenen Fahrzeuge dauerhaft überwachen sowie diese im Notfall eigenständig abstellen können.

Die Rechtslage schwankt

Wichtig: Die geschilderte nationale Gesetzgebung ist nur eine Übergangslösung, bis auf EU-Ebene ein verbindlicher Rechtsrahmen vereinbart wird. Somit könnten sich einige der aktuellen Regelungen zukünftig noch ändern. Da die Rechtslage bisher eher schwammig erscheint, Detailfragen noch ungeklärt sind und juristische Präzedenzfälle nicht existieren, ist eine Fahrt mit dem Taxi Neustadt am Rübenberge, Peine oder Wunstorf aktuell – zumindest rechtlich – die sicherere Wahl. Ein vollständig autonomes Auto wird wohl noch einige Jahre auf sich warten lassen.